Heute bin ich nur 50 km gefahren - habe ich am Abend festgestellt. Aber es ist immer wieder die Angst, keine Pilgerherberge zu finden, die mich zu früh anhalten lässt. Dabei habe ich jeden Abend ganz einfach eine Herberge gefunden. Es ist wirklich nicht schwierig. Da gibt es nämlich eine App, in der steht, an welchem Ort Pilgerherbergen zu finden sind. Diesen Tipp hat mir ein Pilger gegeben. Apps, die ein guter Radler und Pilger bereits vor Beginn seiner Tour installiert. Ich lerne das, was ich für die Reise brauche, auf meinem Weg kennen. Mir fällt auf, wie wenig ich vertrauen habe, dass bis zum Abend alles geregelt ist. Und diese Angst, kein Bett zu finden in einer Pilgerherberge zeigt mir nur, dass ich noch keine Erfahrung habe als Nomadin auf der Straße, vor allem, weil es abends noch empfindlich kalt wird.
Die Landschaften verschwimmen mit der Zeit, ich kann auch nicht mehr genau einordnen wo der schöne Platz nun genau war, der mir als Foto im Gedächnis geblieben ist. Nur die die Bekanntschaften auf dem Weg prägen sich ein.
Und so kehre ich im Casa Parroquial ein. Wie sich herausstellt, ist es eine einsame Herberge. Ich bin der einzige Gast, und der Herbergsleiter spricht nur Spanisch. Aber mit Google Übersetzer können wir uns unterhalten.
Er erzählt, dass er normalerweise auf Mallorca lebt und schon in der Pension ist. Aber er ist selbst alle Jakobswege in Spanien gelaufen, oder mit dem Rad gefahren. Immer wurde er sehr freundlich aufgenommen und beherbergt. Darum hat er sich vorgenommen, jetzt in der Pension auch etwas zurück zu geben. Das hat mir sehr imponiert: Aus Dankbarkeit über die Gastfreundschaft, die man erlebt hat auf dem Jakobsweg auch etwas davon weiter zu geben! Und so verbringt er einen Monat in diesem verlassenen Ort, und diesem sehr einfachen Häuschen und beherbergt Pilger. Dabei verlangt er kein Übernachtungsgeld, sondern die Pilger werfen eine Spende in die Spendendose. Am Morgen macht er sogar noch Kaffee, dazu Marmelade, Butter und Brot und Kekse.
Ich wache von selbst immer so um halb sieben auf. Packe zuerst meinen Schlafsack auf die Fahrradtasche - heute ist es wieder mal eiskalt, und die Finger fühlen sich wie Eisklotzen an. Ich beschließe nur Katzenwäsche zu machen, es ist mir zu kalt und inzwischen steht der Kaffee schon auf dem Tisch. Das ist wirklich ein Luxus, vor allem weil der Herbergsvater nur Spenden erwartet, oder auch mal keine. So soll der Pilgergeist auf dem Spanischen Jakobsweg erhalten bleiben. Und immer wieder spüre ich das auch. Es geht um Dankbarkeit und einer offenen Art von Spiritualität, die ich hier erlebe. Darum packe ich auch immer wieder meine Zeichensachen und Block aus und zeichne - nicht Landschaften - sondern die Menschen, die mir auf dem Weg begegnen. Egal ob beim Frühstück im Cafe, oder im Restaurant beim Abendessen. Ich frage die Menschen einfach, ob ich sie zeichnen darf. Und immer haben sie sich gefreut, dass in dem Moment, für 20 Minuten, gerade sie im Mittelpunkt stehen dürfen!
Doch die Zeit verrinnt, und ich muss mich verabschieden. Ich setze mich auf mein Fahrrad. Und wie jeden Morgen überkommt mich eine große Freude, dass ich einfach durch die "Welt" radeln kann. So fühlt es sich für mich an.