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Mit dem Rad auf dem Jakobsweg: Von Terradillos nach Fromista

4.4.2022

Die Nacht war ruhig, keine Schnarcher im Zimmer, niemand hat gehustet. Früh am Morgen fangen die ersten an zu packen, und auch ich stehe auf. Schön ist es am Frühstückstisch, da alle wieder an einem Tisch sitzen. Der Puerto Ricaner, der Spanier, die zwei Amerikaner, der Holländer mit seinen langen Rastalocken und seinem selbst geschnitzten Wanderstock und die zwei Deutschen.

Mit dem 22 jährigen jungen Mann aus Bottrop habe ich mich noch lange unterhalten. Warum er denn auf dem Jakobsweg geht, und nicht irgend eine Bergtour in den Alpen macht, so wie die viele, frage ich ihn.

Er erzählt dass er ausgebrannt war. Das Studium, die Anforderungen, sein - "Alles allen recht machen" - hat ihn so ausgelaugt. "Ich bin hier, weil ich zu mir selbst finden will, spüren was mir gut tut, was zu viel ist. Ich bin da, damit ich auf meine Gefühle hören lerne und vertraue. Und ich möchte besser auf mich acht geben, mich wichtig nehmen." Das sind nur ein paar Ausschnitte unseres Gespräches.

 

Es ist 10 Uhr, bis ich endlich los fahre. Das Wetter ist wunderschön, aber wieder kämpfe ich mit starkem Gegenwind und komme nicht so schnell voran. Kalt ist es. Ohne Handschuhe brauche ich gleich gar nicht los zu fahren. Und um mein Gesicht zu schützen vor der Kälte setze ich meine weiße Maske auf. Die entgegenkommenden Radler und Wanderer schauen mich groß an. Sieht wahrscheinlich sehr peinlich aus. 

Der Weg ist erst einmal recht eintönig, doch nachmittags wird es abwechslungsreicher. Ich werde unruhig, weil ich ja wieder eine Herberge suchen muss. Das Städtchen Fromista hat mehrere Pilgerherbergen, die erste in der ich frage ist voll, in der nächsten klappt es. "Albergue Luz Fromista", ein schöner Name. Hier gibt es kein Abendessen, aber eine Küche ist dabei für die Pilger. Der Besitzer hat viele Jahre in Holland gelebt und dort Kunst unterrichtet. Als er selbst auf dem Jakobsweg ging, hat er beschlossen, eine Pilgerherberge aufzumachen. Dieses alte Anwesen hat er dann gekauft und renoviert. In der Küche treffe ich eine Pilgerin, die nach Santiago unterwegs ist, also wie alle, die ich treffe, will auch sie zum Ziel nach Westen. Mein Ziel liegt immer noch fast 2000 Km im Osten. Wenn ich daran denke, bekomme ich die Panik. Ob ich das wohl in einem Monat schaffe, geht mir durch den Kopf, und was, wenn das Rad kaputt wird?...

Aber viel Zeit bleibt nicht zum Nachdenken. Den ganzen Tag im Wind, die Kälte, die Luft, machen müde, und um neun bin ich in meinem Stockbett oben, weil sonst fast alles belegt ist. Wir sind 7 Personen im Raum. Und es ist unruhig. Ich kann nicht wirklich gut schlafen....